Montag, der 13. Juli 1914
* Untersuchungsergebnisse aus Sarajewo * Panik in Belgrad *
K.u.k.-Außenminister Berchtold erhält ein Telegramm aus Sarajewo. Friedrich von Wiesner (1871–1951), der Beamte, der die Untersuchung des Attentats leitet, teilt ihm mit: „Mitwissenschaft serbischer Regierung an der Leitung des Attentats oder dessen Vorbereitung und Beistellung der Waffen durch nichts erwiesen oder auch nur zu vermuten. Es bestehen vielmehr Anhaltspunkte, dies als ausgeschlossen anzusehen.“
Berchtold ficht das nicht an. Er lässt nach Berlin melden, dass er hoffe, morgen mit Ministerpräsident Tisza über den Inhalt der Note an Serbien ins Reine zu kommen. Dann könne sie am 15. Juli von Kaiser Franz Joseph genehmigt und unverzüglich überreicht werden.
Das österreichische Militär dagegen scheint langsam den Glauben an einen Krieg zu verlieren. Der deutsche Militärattaché Kageneck berichtet seinem Chef Moltke, einer der Flügeladjutanten im k.u.k.-Kriegsministerium habe ihm gesagt, Serbien sei nach dem Tod des russischen Botschafters Hartwig völlig verunsichert und werde wohl jeder Forderung nachgeben, „wenn wir sogar König Peters Absetzung verlangen sollten, so werden die Serben sagen, bitte in 24 Stunden.“ Außerdem befürchte man im Kriegsministerium, dass die „Herren am Ballplatz“ nicht die Nerven haben, die 16-tägige Mobilmachungszeit der österreichischen Armee durchzustehen und überhaupt wisse man nicht, was man mit Serbien nach einem Sieg anfangen soll, da niemand noch mehr serbische Untertanen wolle.
Generalstabschef Moltke hat seine Präventivkriegspläne anscheinend nicht mit in die Kur genommen. Völlig entspannt notiert er den Vorschlag, Österreich solle schnell Frieden schließen und als einzige Bedingung ein österreichisch-serbisches Bündnis fordern.
Sein Stellvertreter Waldersee jedoch ist gerüstet. Er hat sich zwar demonstrativ auf Schloss Ivenack in der Mecklenburger Seenplatte zurückgezogen, das der Familie seiner Frau gehört. Aber er hält telefonischen Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und versichert: „Ich bin hier sprungbereit; wir sind im Generalstab fertig.“
In Belgrad kommt unterdessen das Gerücht auf, es sei ein Blutbad an den dort lebenden rund 6000 Österreichern geplant. Die Folge sind Panik und Massenflucht, teils in die österreichische Gesandtschaft, teils in die zu Ungarn gehörende Grenzstadt Semlin (heute ein Stadtteil Belgrads). Der österreichische Gesandte Giesl informiert die serbische Regierung, die für Polizeischutz vor der Gesandtschaft sorgt. Zu tatsächlichen Zwischenfällen kommt es nicht.