Juli 1914
14. Juli 1914

Dienstag, der 14. Juli 1914

* Bestätigung des Blanko-Schecks *

 

In Wien folgt der Panik von Belgrad eine Börsenpanik. Die Zeitungen melden allerlei Gerüchte: 200 serbische Freischärler hätten die österreichische Gesandtschaft in die Luft sprengen wollen, zwei russische Attentäter den Gesandten Giesl ermorden. Viele Zeitungen bringen auch ein bewegendes Interview, das Giesls fünfzehnjähriger Sohn Hans in Semlin gegeben haben soll. Sein Vater habe ihn vorsichtshalber aus Belgrad weggeschickt, erzählte Giesl junior demnach. Er selber will ihn händeringend gebeten haben mitzukommen und so sein Leben zu retten. Der Vater aber habe erklärt: „Ich gehe nicht. So lange auch nur einer unserer Untertanen hier ist, und so lange mein Herrscher befiehlt, bleibe ich hier, was immer auch geschieht.“ Später stellt sich die ganze Geschichte als Ente heraus.

 

Auch die Beisetzung des populären russischen Gesandten Hartwig, die in Belgrad im großen Rahmen stattfindet, führt zu keinerlei Zwischenfällen. Da es im Vorfeld Drohungen gegen Giesls Teilnahme gegeben hat, erhält der österreichische Gesandte besonderen Polizeischutz. Die k.u.k-Presse meint hinterher, es sei nur dank Giesls energischem Auftreten ruhig geblieben. „Der Fall beweist nur, dass die serbische Regierung, wenn sie nur will, gar wohl in der Lage ist, die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Angriffslust der Belgrader Monarchiehasser zu bändigen“, findet die Reichspost.

 

Unruhe auch in München: Die Zeitungen melden, die Bahnhöfe seien „bereits ab dem frühen Morgen im Belagerungszustand.“ Doch es ist nicht der Anfang einer Kriegspanik, sondern nur der bayerischen Sommerferien. Alles wolle „der drückenden Enge der Stadt in diesen heißen Tagen entfliehen“, heißt es.

 

Kaiser Wilhelm II. befindet sich derweil im norwegischen Sognefjord. Er telegraphiert an Kaiser Franz Joseph die offizielle Antwort auf dessen Brief vom 5. Juli. In dem Schreiben, an dem u. a. Zimmermann und Jagow mitgewirkt haben, bekräftigt er nochmals die deutsche Bündnistreue. Einen Anlass, diesem Telegramm aufgrund der bisherigen Entwicklungen irgendwelche Einschränkungen oder Mahnungen anzufügen, sehen die Verfasser nicht.

 

In Wien einigen sich Berchtold, Tisza und Stürghk endgültig über das Ultimatum. Es soll auf 48 Stunden befristet und so formuliert sein, dass eine Annahme so gut wie ausgeschlossen sei. Tisza stimmt unter der Bedingung zu, dass kein Teil Serbiens annektiert wird. Nach der Sitzung vertraut er dem deutschen Botschafter Tschirschky an, er habe sich schwer entschlossen zum Krieg zuzuraten, aber die Sprache der serbischen Presse und der serbischen Diplomaten hätte ihn von der Notwendigkeit überzeugt.

 

Die deutsche Regierung macht derweil weiter Öffentlichkeitsarbeit. Auch die Botschafter in Rom und Bukarest werden angewiesen, Pressekommentare zu lancieren. Der gewünschte Tenor: Die Sympathien der Kulturwelt sind auf der Seite Österreichs, da die großserbische Propaganda vor Meuchelmord nicht zurückschreckt und eine dauernde Gefahr für den europäischen Frieden ist.

  

Kanzler Bethmann Hollweg spricht an diesem Dienstag laut Riezlers Tagebuch von einem „Sprung ins Dunkle“. 

 

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